Herzoglicher Baurat und Architekt Alfred Cramer
(geb. 1872 in Gotha - gest. 1938 in Gotha)
Herzogliche Baugewerbeschule Gotha
Cramer Villa | Gotha
Cramer Villa | Gotha
von Jörg Richter
Herzoglicher Baurat und Architekt Alfred Cramer
(geb. 1872 in Gotha - gest. 1938 in Gotha)
1872:
Am 6. August 1872 wurde der später über die Landesgrenzen hinaus berühmt werdende herzogliche Baurat und Architekt Alfred Cramer in Gotha als Sproß einer Familie von Bauleuten geboren.
Da Alfred als Sohn des Gothaer Zimmerer- und Baugewerksmeister Carl Andreas Cramer (1840-1904) und dessen Frau Sophie Cramer geb. Zeyß (1863-1900) in Gotha aufwuchs, prägte ihn das Bauwesen von frühester Kindheit an. So begann er nach der Schulausbildung, ebenso wie seine älteren Brüder, sich für das Baufach zu interessieren und entschied sich für eine Maurerausbildung. Somit trat er direkt in die beruflichen Fußstapfen seines Vaters. Nach der Maurerausbildung besuchte der gerade 16-jährige Alfred Cramer von 1888 an die Gothaer Herzogliche Baugewerbeschule im Augustinerkloster und absolvierte 1892 die vier Klassen bis zum Examen. Damals wurde noch ausschließlich im Winterhalbjahr unterrichtet. In den Sommermonaten arbeiteten Schüler wie Lehrer in der Praxis. Sein Examen machte Alfred am 6. April 1892 mit dem Prädikat »Fast recht gut«, was heute einer Note zwischen eins und zwei gleichkommen würde. Zu seinen Lehrern zählte unter anderem der Architekt und spätere Professor Julius Krusewitz (1850-1923).
1892:
Nach dem Examen an der »Gothaer Ingenieurschule für Bauwesen« absolvierte Alfred Cramer von 1892 bis 1894 ein Architekturstudium an der »Königliche Technische Hochschule Stuttgart«, wo er 1894 erfolgreich an einem Architekturwettbewerb teilnahm. Für seinen preisgekrönten Entwurf einer Kunsthalle erhielt er den ersten Preis, die Goldene Medaille und das Diplom der Königlichen technischen Hochschule Stuttgart zuerkannt.
Nach Abschluss seines Studiums war er zunächst bei den führenden Architektenbüros des In- und Auslandes in Stellung sowie tätig in Hannover und Magdeburg. In Magdeburg arbeitete er als Regierungsbaurat.
Auf einer Großbaustelle in Hannover erlitt Alfred Cramer einen folgenschweren Unfall: Ätzend wirkende Kalkspritzer nahmen ihm sein linkes Augenlicht. Ein harter Schlag, insbesondere für einen Architekten, war doch infolge des Unfalls das räumliche Sehvermögen beträchtlich geschmälert. Doch nichtsdestotrotz nahm seine Karriere einen steilen Verlauf.
1901:
1901 kam Alfred Cramer in seine Heimatstadt Gotha zurück und ließ sich dort nieder. Er hatte bereits im Jahr zuvor, am 14. Juni 1900, in seinem Elternhaus in der Uelleber Straße 36 in Gotha ein Atelier für Architektur und Bauausführung eröffnet. Alfred Cramer war zunächst ferner als Dozent an der »Herzoglichen Baugewerbeschule« und gleichzeitig als Kirchenbaupfleger tätig.
1902 heiratete Alfred das Fräulein Toni Rechenbach. Aus der Ehe entstammten zwei Söhne, Hans Cramer (geboren 1903) und Curt Cramer (geboren 1913). Curt Cramer ergriff den Beruf seines Vaters. 1903 übernahm Alfred Cramer zunächst das Baugeschäft seines Vaters. Nachdem sein Bruder Fritz Cramer (1864-1943) die Nachfolge antrat, der ebenfalls Zimmer- und Baugewerksmeister geworden war, konnte nun Alfred Cramer all seine Kräfte auf den Aufbau seines eigenen Ateliers für Architektur und Bauausführung einsetzen. Erstaunlich schnell fasste Alfred Cramer in Gotha Fuß, bewarb sich bei Architektur- und Bauausschreibungen und bekam schon bald größere Aufträge. Mit seinen zahlreichen prächtigen Entwürfen für Villen und Privathäusern entwarf der talentierte Architekt eine Reihe von noch heute stadtbildprägenden öffentlichen Gebäuden. Somit trug er wesentlich zur Entwicklung des Gothaer Stadtbildes und dessen Umgebung bei. Zudem konnte er bei Architekturwettbewerben für die Errichtung von Kirchenneubauten überzeugen.
» Sind das die Anfänge vom charakteristisch modernen Cramer-Stil? «
Cramer Villa | Gotha:
Ein Haus, wo Gothaer Bauwerksgeschichten auf dem Reißbrett geschrieben wurden.
Seine Hochzeit 1902 mag möglicherweise die Ursache dafür gewesen sein, dass sich Alfred Cramer nach eigenen vier Wänden umsah. Nun würde jeder vermuten, dass er sich in bester Lage eine prunkvolle Villa entworfen und gebaut hätte. Doch seine Wahl fiel auf ein bereits vierzig Jahre altes Haus mit großem Grundstück in bevorzugter Lage an der Ecke Reinhardsbrunner Straße / Leesenstraße im sogenannten Gründerzeitviertel zu Gotha. Das älteste Blatt in der Bauakte stammt aus dem Jahre 1865 und beinhaltet ein Bauvorhaben des Freiherrn Ferdinand von Leesen (1804-1876). Als Bauherr gilt Freiherr Ferdinand von Leesen (1804-1876), der die damalige »Große Leesenstraße« zur Erschließung seiner Grundstücke anlegen ließ. 1864 übergab er sie dem Verkehr. Man geht davon aus, dass Leesen auch der Bauherr dieses ursprünglich eingeschossigen Wohnhauses mit Mansarde war. Bevor Cramer es erwarb, waren als Eigentümer der Schneidermeister Ernst Heyn, der Rentner Emil Lomnitz und die Witwe Malwine Eckardt im Grundbuch eingetragen. So ließ Alfred Cramer umgehend einen Umbau nach seinen eigenen Plänen vornehmen, welche er bereits 1904 entworfen hatte. Der Umbau beschränkte sich dabei auf einen dreigeschossigen Anbau entlang der Reinhardsbrunner Straße, einen neuen Eingang, einen Erker sowie die Umgestaltung der Fassade im gerade aufkommenden hochmodernen Jugendstil. 1909 wurde noch ein eingeschossiger Anbau in der Leesenstraße hinzugefügt in dem Alfred Cramer sein Atelier für Architektur und Bauausführung und Kunstgewerbe erweiterte. Von hier aus wirkte Alfred Cramer lange Jahre im Bauwesen mit einer führenden Rolle. Somit ist nicht zu viel versprochen, wenn oft umgangssprachlich gesagt wird, dass in der »Cramer-Villa« zu Gotha, in der Reinhardsbrunner Str. 10 - für damalige Zeiten stehts moderne Gebäude, Kirchen und Villengeschichten quasi auf seinem Reißbrett begannen.
Noch heute ist die »Cramer-Villa« in Gotha eine Augenweide.
Freiherr von Leesen war der Bauherr
Vermutlich war dieser auch der Bauherr des ursprünglich eingeschossigen Wohnhauses mit Mansarde gewesen. 1865 kam noch ein Verbindungstrakt zum Nebengebäude dazu. Bereits am 10. Dezember 1866 verkaufte er jedoch das Anwesen an der oberen westlichen Seite der »Großen Leesenstraße«, an der Einmündung zur Reinhardsbrunner Chaussée. Das Haus trug damals die Nummer 22.
Für das Wohnhaus nebst Garten bezahlte der Schneidermeister Ernst Heyn damals 5.000 Taler und durfte das Kaufobjekt zum 1. Januar 1867 übernehmen. Heyn wurde am 13. Februar 1810 als zweiter Sohn des Wagenhalters Johann Cristian Heyn in Gotha geboren und heiratete am 6. Mai 1838 Thekla Franziska geb. Frank (1814-1894). Bis 1866 war er als Schneidermeister in der »Kleinen Erfurter Gasse« (seit 1887 Markstraße) 15 tätig. Im neu erworbenen Haus, das 1869 die Hausnummer 24 erhielt, betrieb er ein Café. Im Adressbuch von 1870 wurde er allerdings nur noch als Rentner erwähnt. 1872 zog er in die »Große Leesenstraße 8« um und starb am 30. Juni 1895 an einem Gehirnschlag.
Seine Villa übernahm der Rentner Emil Lomnitz, über den jedoch nichts Näheres in Erfahrung zu bringen war. Dieser ließ 1873 durch den Zimmerermeister Friedrich Poller einen zweigeschossigen Neubau entlang der Reinhardsbrunner Straße errichten. Dadurch erhielt die Villa ihre heutige Dimension als prägendes Eckhaus. 1891 zog Lomnitz in die gegenüber liegende Reinhardsbrunner Straße 1b, wo sich kurz darauf seine Spur verliert. Er überließ das Anwesen der Witwe Malwine Eckhardt, geb. Weber, die seit 1889 in der Parkallee 5 gewohnt hatte. Mit der 1895 erfolgten Umnummerierung der Reinhardsbrunner Straße erhielt die Villa die heutige Adresse. 1898/1899 ließ die Hausbesitzerin durch die Firma Friedrich Poller & Sohn den noch heute vorhandenen, eingeschossigen Erkervorbau an der Westseite und einen zweigeschossigen Anbau mit Terrasse auf der Südseite errichten. Malwine Eckardt gab ihren Besitz 1905 auf und zog in die Gartenstraße 32.
Neuer Eigentümer wurde Alfred Cramer mit seiner jungen Familie. Er ließ, wie bereits zuvor beschrieben, umgehend einen Umbau nach seinen eigenen Plänen vornehmen, der sich auf einen dreigeschossigen Anbau, einen neuen Eingang, einen Erker, sowie die Umgestaltung der Fassade beschränkte.
Auf der nachfolgenden abgebildeten, zeitgenössischen Postkarte ist die Cramer-Villa nach Abschluss dieser Umbaumaßnahmen zu sehen.